Es ist das Jahr 1938. Wir sind in der Schweiz. Paul Grüninger ist Polizist in St. Gallen. Vor kurzem hat die Berner Regierung beschlossen, die Grenzen für jüdische Flüchtlinge im Wesentlichen zu schließen. Trotzdem kommen offenbar immer noch viele Menschen - jetzt illegal - in die Schweiz. Zwischen Hohenems und Dipoldsau können die Menschen, die illegal in die Schweiz wollen, die Grenze verhältnismäßig leicht und sicher überqueren. Denn Dipoldsau gehört zur Schweiz, liegt aber östlich vom Neuen Rhein. Man muss also nur den "Alten Rhein", der ein stehendes Gewässer ist, überwinden. Grüninger erfährt, dass sich in einer ehemaligen Textilfabrik in St. Gallen offenbar viele Flüchtlinge ohne gültige Papiere aufhalten. Organisiert wird das Ganze von der jüdischen Gemeinde unter Sidney Dreyfuß. Anstatt auf die Rechtsverstöße hinzuweisen, deckt Paul Grüninger die illegale Fluchthilfe und hilft Dreyfuß, Dokumente zu fälschen (das Einreisedatum wird z. B. nach vorne verschoben). Nach geltendem Schweizer Recht macht er sich so strafbar. Als das Ganze "auffliegt", wird Grüninger vom Dienst suspendiert und zu einer Geldstrafe verurteilt.
Grüningers Karriere ist zerstört. Er stirbt 1972 verarmt. Sein Handeln ist vergessen.
Erst über 20 Jahre nach seinem Tod wird Grüninger rehabilitiert. Das heißt, dass "der Staat" damit sein Verhalten anerkennt und "seine Ehre" wieder herstellt.
Der Spielfilm "Die Akte Grüninger" folgt den historischen Ereignissen von der Schließung der Grenze (August 1938) bis zur Räumung der Textilfabrik (Anfang 1939). Im Mittelpunkt steht Paul Grüninger. Er stellt seine persönliche Ethik (Menschen in einer lebensbedrohenden Situation helfen) über das staatliche Recht. Die zweite wichtige Figur ist S. Dreyfuß. Als Gegenfigur gibt es den fiktiven Berner Polizeibeamten Robert Frey. Er ist der Karrierepolizist, der das staatliche Recht Recht über die persönliche Ethik stellt. Ob er aus Karriere-Gründen oder aus Staatsräson so handelt, bleibt offen. Ins Zweifeln gerät Frey, weil er näher mit dem (fiktiven) Schicksal von zwei Kindern, die allein auf der Flucht sind, konfrontiert wird. Er hilft den Kindern und versucht bei der Räumung des Lagers, ihre Ausweisung zu verhindern. Die zweite Gegenfigur ist der sozialdemokratische Politiker Valentin Keel. Dieser ist zuerst mit Grüninger befreundet und er deckt sein Verhalten. Aus politischen Gründen - er kann sich im Wahlkampf keinen Skandal leisten - lässt er Grüninger fallen.
Paul Grüninger befindet sich in einem ethischen Dilemma:
Die eine Seite des Dilemmas: Als Polizist ist er ein staatlicher Beamter. In einem Rechtsstaat müssen sich alle Menschen an geltendes Recht halten. Sonst würde Willkür oder Anarchie herrschen. Insbesondere gilt das für Staatsbeamten, die ja den Staat repräsentieren. Sich ans Recht zu halten, würde bedeuten, Grüninger müsste als Polizist in dem Moment, in dem er Verdacht schöpft, dass nicht alle Menschen legale Papiere haben, Anzeige erstatten, eine Untersuchung veranlassen. Seine formale (rechtliche, berufliche) Pflicht ist, das Gesetz zu schützen.
Die andere Seite des Dilemmas: Wenn die Sache auffliegt, würden die Menschen, die sich ohne gültige Papiere in der St. Galler Stickerei aufhalten, über die Grenze zurückgeschafft. Für viele Menschen würde das die Deportation in ein Konzentrationslager und den Tod bedeuten. Grüninger würde sich dafür mitverantwortlich fühlen, dass die Menschen deportiert oder umgebracht würden. Seine persönliche (menschliche) Pflicht ist, den Menschen in einer schweren Notsituation zu helfen.
Beides lässt sich nicht miteinander vereinbaren. Grüninger muss sich für einen der beiden Wege entscheiden. (Manchmal gibt es einen dritten Weg oder einen Kompromiss. Hier scheint das schwierig. Wir könnten vielleicht sagen, dass im Film Frey diesen Kompromiss zu gehen versucht, indem er auf der einen Seite die Räumung des Lagers bewirkt, auf der anderen Seite aber den Kindern zur Flucht hilft. Die Frage ist, ob das ein befriedigender Kompromiss sein kann).
Beide Handlungsalternativen haben auch mit Werten zu tun, die hier in einem Werte-Konflikt "aufeinanderprallen". Dabei geht es
Wenn Menschen staatliches Recht absichtlich missachten, weil sie sich auf "höhere Werte" berufen, sprechen wir - je nachdem - von zivilem Ungehorsam oder Widerstand. Grüningers Verhalten würde in diese Kategorie fallen. Es gibt auch andere berühmte Fälle von zivilem Widerstand, zum Beispiel die Salzmärsche, die Mahatma Gandhi in Indien organisierte, um das britische Salzmonopol zu unterlaufen. Oder dass Menschen während der Rassentrennung in den USA Gesetze, wonach bestimmte Räume nur für Weiße reserviert waren, missachteten. Auch wenn Menschen gegen Atommüll-Transporte protestieren, indem sie sich an Eisenbahnschienen anketten (Gorleben) oder wenn sie die Rodung von Bäumen verhindern wollen, indem sie sich an diese Bäume anbinden oder auf die Bäume klettern (Hainburger Au, Stuttgart 21), fällt das in diese Kategorie.
Wenn Menschen überschreiten in ihrem Widerstand gegen staatliche Normen oder staatliches Recht auch die Grenze zur Gewalt. Das kann bedeuten, dass sie die Eigentumsrechte anderer Menschen
verletzen (z. B. wenn sie Tiere aus Tierfabriken oder Laboratorien befreien). Das kann bedeuten, dass sie das Leben anderer Menschen gefährden (z. B. bei einem Sprengstoff-Attentat). Das kann
auch bedeuten, dass sie andere Menschen - zum Beispiel repräsentanten des Staates - töten (RAF-Terror, IRA-Terror). Oder es kann bedeuten, dass sie ganz bewusst versuchen, möglichst viele
Zivilisten zu töten, um einen als Gegner empfundenen Staat unter Druck zu setzen (Al Kaida).
Die ethische Bewertung von zivilem Widerstand (gewaltfrei, mit Gewalt)
Zivilen Ungehorsam oder aktiven politischen Widerstand zu ethisch zu bewerten, ist nicht ganz einfach. Zu unterschiedlich sind die jeweiligen Situationen und auch die jeweiligen Strategie. So unterscheidet sich der Terror der ETA oder der IRA strategisch von dem AL-KAIDA-ähnlicher Gruppierungen (ETA; IRA: Angriff auf „politische Ziele“; HAMAS, AL KAIDA: Ziel, möglichst viele zivile Opfer zu treffen).
Es gibt aber die Möglichkeiten, Kategorien zu bilden. Die Bewertung von zivilem Ungehorsam / politischem Widerstand könnte abhängig gemacht werden
a) vom staatlichen System, in das sie eingebettet ist:
Demokratie mit vielfältigen Möglichkeiten der Opposition / Meinungsbildung <--> Diktatur ohne Möglichkeit einer freien Meinungsbildung <--> Terrorstaat wie z. B. NS
b) vom Ziel der Opposition
Kampf gegen Verletzung von Menschenrechten // Schutz von Menschen, die existentiell bedroht sind // Beendigung von Krieg // Beendigung von "Völkermord" <--> Schutz von Tieren, denen
schweres Leid zugefügt wird // die gequält werden <--> Schutz der Umwelt vor Zerstörung
c) von den Mitteln, die angewendet werden
passiver Widerstand ohne Gewalt
Sachbeschädigung, Verletzung von Eigentumsrechten
Gewalt gegen Tiere
Gewalt gegen Menschen: Gewalt gegen politisch Verantwortliche auf der Gegenseite (z. B. Attentat auf Dikator), Gewalt gegen politische Symbolfiguren (z. B. Attentat auf
Polizisten); Gewalt gegen Zivilisten / Unbeteiligte (11. September, Terroranschläge von Madrider Bahnhohnf und Londoner U-Bahn, ...)
Wer darf heute nach Österreich einwandern?
Die Frage, ob Menschen nach Österreich (oder in einen anderen westeuropäischen Staaten // Schengen-Staat) einwandern dürfen, ist hoch aktuell.
Auch heute gibt es Menschen, die denken, dass eine zurückhaltende (restriktive) Einwanderungspolitik wichtig und richtig sei. Und auf der anderen Seite gibt es Menschen, die lieber offenere Grenzen wollen und die wollen, dass westeuropäische Staaten Menschen, die aus anderen Staaten kommen und Schutz oder eine Zunkunftsperspektive suchen, großzügig aufnimmt.
Grundsätzlich darf in Österreich jeder leben, wohnen, arbeiten (also: sich niederlassen), der österreichischer Staatsbürger oder Bürger eines Schengen-Staates (das sind die EU-Staaten, die
Schweiz und Liechtenstein) ist. Alle anderen Menschen - also z. B. US-BürgerInnen, ukrainische StaatsbürgerInnen, südafrikanische StaatsbürgerInnen - haben grundsätzlich keinen Rechtsanspruch
darauf, in Österreich zu leben. Es gibt aber eine Reihe von Gesetzen, die auch Menschen aus solchen Staaten einen legalen Aufenthalt in Österreich möglich machen:
Die Genfer Flüchtlingskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der Menschen vor staatlicher Verfolgung v.a. aus politischen Gründen, aus religiösen Gründen, aus ethnischen Gründen schützen soll. Wer also aus seinem Heimatland flieht, weil er/sie politisch verfolgt ist, hat grundsätzlich das Recht auf einen legalen Aufenthalt. Allerdings muss sich jeder Mensch, der sagt, dass er/sie ein politischer Flüchtling sei, einem teilweise sehr langwierigen Asylprüfungsverfahren unterziehen, wo "der Staat" den Rechtsanspruch überprüft. Diese Prüfungsverfahren können einige Jahre dauern. In der Zwischenzeit ist ein Mensch als Asylwerber geduldet, er hat aber praktisch keine Rechte. Bei einem positiven Asylbescheid wird ein Mensch als Flüchtling anerkannt, er darf dann in diesem Land leben, arbeiten, wohnen ... Bei einem negativen Asylbescheid muss er / sie Österreich wieder verlassen. Wer nicht freiwillig geht, wird mit staatlichen Zwangsmaßnahmen (Schubhaft, Zwangsabschiebung) in sein Herkunftsland zurückgebracht.
Das Recht auf Familienzusammenführung: Wer als Nicht-Schengen-BürgerIn mit einem Österreicher / einer Österreicherin verheiratet ist, hat ebenfalls das Recht, sich legal ist Österreich niederzulassen.
Andere Rechte, z. B. die Ö-Card, sollen ermöglichen, dass Schlüsselarbeitskräfte, die in der österreichischen Wirtschaft gebraucht werden, oder StudentInnen sich legal in Österreich aufhalten können.
Wer keinen Rechtsanspruch auf einen Aufenthalt in Österreich hat, kann sich grundsätzlich nur befristet (z. B. als Tourist) in Österreich aufhalten. Er/Sie bekommt insbesondere keine Arbeitserlaubnis.
Warum machen die meisten westeuropäischen Staaten eine restriktive Einwanderungspolitik mit möglichst dichten Grenzen nach außen?
Dass sich die Einwanderungspolitik seit den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts, wo die Grenzen noch ziemlich offen waren, massiv verschärft hat, hat viele Gründe. Ein paar Beispiele ....
Folgen der Verschärfungen im Einwanderungs- und Asylrecht
Wie argumentieren Befürworter eines strengen und restriktiven Einwanderungsrechts
Wie argumentieren Befürworter eines offenen / liberalen Einwanderungsrechts