Der Begriff "Transzendenz" (oder das Adjektiv transzendent) leitet sich vom Lateinischen trans-cedere (eine Grenze überschreiten) ab. Mit etwas Transzendentem meinen wir also immer etwas, was jenseits einer bestimmten Grenze - konkret: jenseits der Grenze des vernünftig Erfahrbaren oder des mit unseren Sinnen Erfahrbaren - liegt. Ein anderer, religiöser Begriff für das Transzendente in diesem Sinn ist das Göttliche.
Praktisch alle Kulturen haben Vorstellungen über die Beschaffenheit dieses Tranzendenten entwickelt. Aber die Vorstellungen über das, was dieses Transzendente ausmachen könnte und was seine Eigenschaften sind, sind sehr unterschiedlich. Die Vorstellung von einer personalen Gottheit, wie sie die abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam entwickelt haben, ist hier nur ein "Sonderfall".
In asiatischen Kulturen ist der Kern des Transzendenten eher ein Ur-Gesetz oder ein Ur-Prinzip (z. B. das Karma als das ewige Gesetz oder das Nirvana als ein Zustand ohne Veränderung und ohne Differenz). Die frühen Hochkulturen (Ägypten, Babylonien, ...) bringen Naturerscheinungen wie die Himmelskörper in Verbindung mit göttlichen Mächten. In vielen Natur-Religionen ist die Welt selbst animistisch beseelt (lat. animus = Wind, Haus, Seele).
Wir können davon ausgehen, dass Gottheiten in vielen Kulturen wichtige Funktionen erfüllt haben. Sonst hätten sich nicht in praktisch allen Kulturen Vorstellungen über Gottheiten oder das Göttliche entwickelt.
Wichtige Funktionen, die Gottheiten erfüllen:
In manchen Kulturen ist das Göttliche Teil der physikalischen Welt. Hier wird also nicht zwischen einem "Diesseits" (oder einer physikalischen Welt) und einem Jenseits (oder einer himmlichen / nicht-physikalischen Welt) unterschieden. Vielmehr stellt man sich die Natur selbst als "beseelt" oder "göttlich" vor. Beispiele dafür finden sich in vielen Naturreligionen, in denen Tieren, Bäumen, Bergen, Flüssen ... göttliche Attribute zugeschrieben werden. Auch der Pantheismus ist eine Glaubenstradition, in der das Göttliche der Natur selbst innewohnt. Dieser Auffassung zufolge ist als das Göttliche etwas in der Welt selbst liegendes, etwas der Welt IMMANENTES.
Im Gegensatz dazu stehen Glaubensvorstellungen, die die Welt als etwas sehen, was von der göttlichen Sphäre grundelgend getrennt ist. Gott oder das Göttliche ist dann etwas, was außerhalb der Welt liegt und allenfalls von außen auf die Welt einwirkt. Gott wird also als TRANSZENDENTE MACHT begriffen. Eine der transzendentesten Gottheiten überhaupt ist wohl der jüdische Gott, der so "jenseitig" ist, dass der Mensch sich von ihm kein Bild machen und wenn möglich auch seinen Namen nicht aussprechen soll. Er soll einfach darauf vertrauen, dass dieser Gott in irgendeiner Form "da ist" (Jahwe = Ich bin da.)
In der Neuzeit stellen sich viele Astronomen (z. B. Kepler) Gott als eine Art ersten Beweger (deus ex machina) vor, der zwar die Welt geschaffen hat, dann aber nicht mehr weiter auf sie einwirkt. Dadurch wird die Welt mittels Naturgesetzen erklärbar und Wunder sind allenfalls Phänomene, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt über Naturgesetze noch nicht erklären lassen.
Die allermeisten Kulturen