Zum Beispiel: Die jüdische Gemeinde in Hohenems

Das jüdische Museum Hohenems erinnert an die ehemalige jüdische Gemeinde
Das jüdische Museum Hohenems erinnert an die ehemalige jüdische Gemeinde

Die jüdische Gemeinde in Hohenems wird 1617 gegründet. In dieser Zeit gibt es noch keine Religionsfreiheit und Juden dürfen sich nur dort niederlassen, wo es ihnen von den Fürsten erlaubt wird. Jüdische Gemeinden sind so praktisch über ganz Mitteleuropa verstreut. 1617 stellt Graf Kaspar für die Grafschaft Hohenems ein Schutzpatent aus. Im Gegensatz zur damals üblichen Praxis zwingt er die Hohenemser Juden auch nicht, in einem bestimmten Viertel („Ghetto“) zu wohnen oder eigene Kleidung zu tragen. in der Nähe des damaligen Ortszentrums entsteht parallel zur "Christengasse" (heute: Marktstraße) die "Judengasse" (heute: oberer Teil der Schweizerstraße und Harrachgasse). 

 

Auszüge aus dem Schutzbrief:

 

Die Juden dürfen wie die Christen mit den meisten Waren, so mit Stoff, Silber, Getreide oder Wein, handeln. Sie dürfen Geld verleihen, dabei aber nicht mehr als fünf Prozent Zinsen nehmen. Sie sollen ihre Religion nicht außerhalb ihrer Häuser ausüben, damit die christlichen Untertanen nicht verführt werden und kein Ärgernis erregt wird. Für Begräbnisse wird ihnen ein eigener Platz zugewiesen. Sie müssen für das Begräbnis eines Erwachsenen zwei Gulden, für das eines Kindes einen Gulden an die Herrschaft bezahlen.  Sie dürfen eine Synagoge und eine Schule gemäß ihrer Religion errichten. Auch ist es ihnen gestattet, am Schabbat und an ihren Feiertagen Christen für die Hausarbeit anzustellen. Bei Streitigkeiten, die ihre Religion betreffen, soll ihr Rabbiner nach ihren Gesetzen entscheiden.  Jeder Haushalt soll ein jährliches Schutzgeld von 10 Gulden sowie zwei gemästete Gänse an den Grafen abführen. 

 

Arbeitsaufgaben A1:

  • Was für Rechte werden den Juden in der Gemeinde zugestanden? Welche Pflichten haben sie?
  • Was könnte den Grafen bewogen haben, den Juden die Ansiedlung in seiner Gemeinde zu erlauben?
  • Was braucht eine jüdische Gemeinde, damit sie - als Minderheit in einer christlichen Mehrheitsgesellschaft - "überleben" kann?
  • Wenn der Schutzbrief etwas Besonderes ist: Wie wird die soziale Situation für Juden in Europa im 17. Jahrhundert vermutlich häufig gewesen sein?

Die Entwicklung der jüdischen Gemeinde

jüdischer Friedhof Hohenems
jüdischer Friedhof Hohenems

Bis zum 18. Jh. wächst die jüdische Gemeinde in Hohenems kontinuierlich an. Im Jahr 1867 (Toleranzpatent Josef II) erhalten die Juden in der Habsburger-Monarchie Niederlassungsfreiheit. Das bedeutet, dass Juden das Recht haben, dort zu leben, wo sie es selbst wollen. Das führte dazu, dass ein großer Teil der Hohenemser Juden – vor allem nach Wien, zeitgleich aber auch in die benachbarte Schweiz - abwandert. 1935 zählte die Gemeinde nur noch 16 Mitglieder.

 

Das jüdische Leben in Hohenems besonders im 18. und 19. Jahrhundert ist sehr vielschichtig. Neben reichen Kaufleuten und Industriellen (z. B. der Familie Heimann-Rosenthal) leben auch kleine Handwerker und Hausierer in der Gemeinde. Auch einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (z. B. der Kantor Salomon Sulzer) stammen aus Hohenems oder haben Hohenemser Verbindungen (z. B. der Schriftsteller Stefan Zweig, der Philosoph Jean Amery?)

 

In der Zeit des Nationalsozialismus wird die jüdische Gemeinde in Hohenems zerstört. 1938 wird das Vermögen der Kultusgemeinde beschlagnahmt, 1940 wird die Gemeinde aufgelöst. Die letzten verbliebenen jüdischen BewohnerInnen – unter ihnen die fast 70jährige Clara Heimann-Rosenthal - werden zuerst nach Wien und dann in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert.

 

Nach 1945 kehrt niemand von den ehemaligen BewohnerInnen des jüdischen Viertels oder von deren Nachkommen nach Hohenems zurück. Für wenige Jahre leben noch jüdische Überlebende der Vernichtungslager des NS, so genannte Displaced Persons, in Hohenems. Hohenems ist aber nur Durchgangsstation auf dem Weg nach Israel oder in die USA. So endet nach 1945 die Geschichte der Hohenemser jüdischen Bevölkerung.

 

Erinnerungsorte

Synagoge Hohenems; heute: Salomon-Sulzer-Saal
Synagoge Hohenems; heute: Salomon-Sulzer-Saal

Heute ist die jüdische Geschichte in Hohenems nur noch in der Erinnerung präsent. Es gibt noch den jüdischen Friedhof. Auf ihm finden gelegentlich noch Beerdigungen von Menschen mit Hohenemser Wurzeln statt.

 

Die ehemalige Synagoge wird nach 1945 lange als Feuerwehrhaus benutzt und ist inzwischen renoviert worden. Zentrum ist der Salomon-Sulzer-Saal, der an einen berühmten jüdischen Kantor mit Hohenemser Wurzeln erinnert.

 

In der ehemaligen Heimann-Rosenthal-Villa, Wohnhaus von Clara Heimann-Rosenthal, ist jetzt das jüdische Museum Hohenems untergebracht. Das jüdische Museum Hohenems setzt sich mit der Geschichte der Hohenemser Juden auseinander und konzipiert wechselnde Ausstellungen, die sich mit der jüdischen Identität, aber auch mit Fragen von Integration und der Lebenssituation ethnischer und religiöser Minderheiten auseiandersetzt. Es versteht sich auch als Ort, wo der Kontakt mit Nachfahren ehemaliger Hohenemser JüdInnen, die heute in vielen unterschiedlichen Ländern leben, gepflegt wird. 

 

Auch andere Gebäude im ehemaligen jüdischen Viertel - unter anderem die ehemalige jüdische Schule und die alte Mikwe (rituelles Reinigungsbad) sind inzwischen restauriert worden.

Jüdisches Leben im Bodensee-Raum

Gedenkstein für die aus Konstanz deportierten Juden während des NS
Gedenkstein für die aus Konstanz deportierten Juden während des NS

Jüdische Gemeinden gab (und gibt) es im Bodenseeraum einige, zum Beispiel in Konstanz, (eine ganz kleine) in Lindau, in Ravensburg, ... Alle diese Gemeinden wurden während des NS zerstört, Deutschland bemühte sich aber schon relativ früh um den Wiederaufbau.

 

Als Gemeinden durchgehend überlebt haben jüdische Gemeinden  in der näheren Umgebung nur in der Schweiz. Eine kleine jüdische Gemeinde gibt es heute noch in St. Gallen. Eine größere (eher orthodox geprägte) Gemeinde gibt es in Zürich.


Arbeitsaufgaben A2: 

 

  • Was sind wichtige zeitliche Eckpunkte in Zusammenhang mit der jüdischen Geschichte in Hohenems?
  •  Was sind heute Erinnerungspunkte? Sind sie dir schon einmal aufgefallen?
  •  Inwiefern macht es Sinn, an die Geschichte der Hohenemser Juden zu erinnern? Macht es überhaupt Sinn?
  •  Die Hohenemser Juden lebten als Minderheit in einer christlichen Mehrheitsgemeinde: Wird das ihr Leben beeinflusst haben? Wie?
  •  Gibt es auch heute Situationen, in denen Menschen als ethnische / religiöse Minderheit in einer Mehrheitsgesellschaft leben? Lassen sich Parallelen zur Geschichte ziehen?

Internetlinks