Die Existenzphilosophie ist eine der wichtigsten philosophischen Richtungen im 20. Jahrhundert. Sie versteht sich als Gegenbewegung zur positivistischen Philosophie, die im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt hat und die sich gegen das „metaphysische Spekulieren“ wendet. Die Philosophie sollte sich ihr zu Folge an das „positiv Gegebene“, das heißt: an wissenschaftlich überprüfbare Tatsachen halten
Der Begriff "Existenzphilosophie" kommt vom Lateinischen "existere", was so viel wie "vorhanden sein", "existieren" bedeutet.
Die Existenzphilosophie wendet sich gegen ein positivistisches, das heißt: naturwissenschaftliches Verständnis des Mensch-Seins. Ihr zufolge ist es unmöglich "den Menschen begreifen zu wollen wie ein beliebiges Ding".
Nach existenzphilosophischer Ansicht gibt es zwei prinzipiell unterschiedliche Formen der Erkenntnis: den analytisch-wissenschaftlichen Zugang zu einer Frage und den hermeneutisch-ganzheitlichen. Beide Wege führen zu qualitativ völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Wenn nur der wissenschaftlich-analytische Zugang zum Menschen erlaubt ist, geht nach der Meinung der Existenzphilosophen etwas ganz Wesentliches verloren:
Denn der analytisch-wissenschaftliche Zugang schafft eine Distanz zwischen erkennendem Subjekt und erkanntem Objekt. Dadurch entsteht - und das ist ein großer Vorteil - Klarheit und Eindeutigkeit. Der analytische Weg ist der Weg der Erklärung. Die Sprache ist die Sprache der Logik (die auf der Ebene von wahr und falsch liegt). Der Preis für den analytischen Weg ist jedoch, dass dabei der Blick aufs Ganze und damit – was den Menschen betrifft: aufs Wesentliche - verloren geht.
Ein anderer Weg ist der hermeneutisch-ganzheitliche. Er ist kreativ, mehrdeutig, intuitiv. Dieser Weg ist der Weg des Verstehens. Die Sprache ist die Sprache der Kunst, der Literatur,
des Mythos. Ihre Aussagen sind mehrdeutig, vielschichtig, meist "jenseits von wahr und falsch". Aber durch sie kann der Blick aufs Ganze gewahrt bleiben. Nur auf diesem Weg ist das Wesen des
Menschen als Ganzes zu erfassen.
Vorläufer:
Edmund Husserl (1859 - 1938): Phänomenolge; lehnt die naturwissensch-analytische Methode der Erkenntnisgewinnung ab; anstattdessen: Phänomenologie = Wesensschau = intuitiver, emotionaler, analoger Weg der Erkenntnisgewinnung
Sören Kirkegaard
Arthur Schopenhauer
Friedrich Nietzsche
Deutschland/Österreich (Existenzphilosophie):
Martin Heidegger (1889 - 1976) "Sein und Zeit"
Karl Jaspers (1883 - 1969) Arzt und Philosoph
Viktor. E. Frankl (geb. 1905) .Psychotherapeut, Arzt, Philosoph, "Trotzdem ja zum Leben sagen"
Frankreich (Existentialismus):
Albert Camus (1913 - 1960)
Jean Paul Sartre (1905 - 1981)
Simone de Beauvoir (1908 - 1986)
1. Subjektivität und Individualität
These, dass Individualität zum Kern der menschlichen Existenz gehöre
Das, was menschliche Individualität ausmacht, lässt sich im Kern weder rational-logisch noch naturwissenschaftlich beschreiben, sondern allenfalls hermeneutisch (ganzheitlich) entwerfen
meist Verzicht auf theoretische Darlegung philosophischer Gedanken; anstattdessen Literarisierung philosophischer Ideen (Gleichnisse, Mythen, Romane, ....)
2. Freiheit (Wahl) und Verantwortung (Jean Paul Sartre)
„Der Mensch ist verurteilt frei zu sein“ (Sartre)
Im Unterschied zum Tier oder zur Pflanze hat der Mensch keine festgelegte Natur oder Essenz, sondern schafft sich diese selbst dadurch, dass er frei wählt und Entscheidungen trifft
Wahlfreiheit ist die Voraussetzung für Verantwortlichkeit
3. Entfremdung in der modernen Gesellschaft (Sartre, Camus)
These, dass der moderne Mensch durch den Verlust des Glaubens in der modernen Welt „völlig auf sich allein gestellt ist“ è Gefahr des „Fremd-Seins“ und „Fremd-Bleibens“ in der Welt („Entfremdung“) è Notwendigkeit einer „diesseitigen“ Sinnsuche è Scheitern als Flucht in den Konsum, als Depressivität, als Suizidalität // Gelingen als kontinuierliches Ringen // z, -B. im sozialen oder politischen Engagement
Entfremdung als grundlegendes Merkmal der modernen Arbeitswelt (Sinnverlust)
Entfremdung als grundlegendes Merkmal der modernen Konsumwelt (Individualitätsverlust; Verlust der Subjektivität im passiven Konsum)
4. Absurdität der (modernen) menschlichen Existenz; Sinnfrage (Camus)
Mensch als Lebewesen, das sich gedanklich aus Raum und Zeit zu lösen vermag
Wissen um seine Vergänglichkeit und Sterblichkeit; Wissen um die letztendliche Vergeblichkeit allen Handelns und Tuns
Notwendigkeit, trotz dieses Wissens Sinn in seinem Dasein zu finden als absurder Grundwiderspruch der menschlichen Existenz, der sich aus der Bewusstheit der Existenz ergibt (Camus)
Aufhebung der Absurdität in der Identität // in der gedanklichen Revolte (Camus)
5. Angst als menschliches Grundgefühl
Im Unterschied zum Tier, das nur die an die konkrete Gegenwart gebundene Furcht kennt, gehört zum Menschsein eine existentielle Grundangst („Weltangst“)
Für Martin Heidegger führt die Angst zur Konfrontation des Individuums mit dem Nichts sowie mit der Unmöglichkeit, die letzte Rechtfertigung für die zu treffende Wahl herauszufinden.
Sartre verwendet den Begriff Ekel für das Erkennen der reinen Zufälligkeit des Universums und den Begriff Angst für das Erkennen der vollkommenen Freiheit der Wahl, mit der das Individuum in jedem Moment konfrontiert wird.
6. Verbindungen zur Literatur
Die moderne Literatur ist in wesentlichen Teilen durch Gedanken und Ideen, die denen der Existenzphilosophie ähnlich sind, geprägt. Beispiele dafür wären
Fjodor Dostojewsky (z. B. „Aufzeichnungen aus dem Totenhaus“, 1864, in dem ein entfremdeter Antiheld gegen den Optimismus des aufgeklärten und vernunftgläubigen Humanismus wettert),
Franz Kafka (der einer undurchschaubaren, undefinierbaren, bedrohlichen Bürokratie ausgelieferte Mensch // Angst, Schuld, Einsamkeit, Absurdität als Themen);
Samuel Beckett und Eugene Ionesco (Absurdes Theater)
Arthur Miller („Tod eines Handlungsreisenden“, „Glasmenagerie“)