"Das ist keine Pfeife"
--> Warum nicht?
--> Und wenn es keine Pfeife ist: Was ist es dann?
Die Sprachphilosophie als eigenständigen Teilbereich der Philosophie entsteht rund um das Jahr 1900. Denn lange Zeit ist die Philosophie - ebenso wie andere akademische Disziplinen - mit
Sprache ziemlich unreflektiert umgegangen. Sie hat sie als "Werkzeug" oder als "Instrument" benutzt, um ihre Theorien zu formulieren. Dabei hat man offenbar einfach angenommen, dass Sprache eine
Art "neutrales Medium" sei, das einfach zwischen Denken und Wirklichkeit vermittle.
Zwar hat man sich schon in der Antike über sprachliche Elemente (Grammatik, Semantik = Lehre von der Wort- und Textbedeutung, Pragmatik = Sprache im Kontext) Gedanken
gemacht und Theorien dazu entwickelt. Auch gibt es spätestens seit der Zeit der Aufklärung Theorien, die sich mit der Entstehung von Sprache oder mit der Frage nach der "ersten" oder
"natürlichen" oder "besten" Sprache auseinandersetzen. Allerdings muten diese ersten Theorien aus heutiger Sicht etwas naiv an. Manche - wie der französische Philosoph Rousseau - meinen, Sprache
habe sich aus den natürlichen Lautäußerungen, wie auch Tiere sie von sich geben, entwickelt. Sie meinen, es gehe beim Sprechen vor allem darum, Befindlichkeiten oder Gefühle zu äußern.
Andere Denker (zumeist in der Tradition des Aristoteles) stellen die Grammatik ins Zentrum. Sie meinen, menschliche Sprache habe ihren Ursprung im Denken und sei vor allem ein
Ordnungssystem.
Aber eine systematische philosophische Auseinandersetzung mit der Frage nach dem "Wesen" von Sprache entsteht aber erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Analytischen Philosophie. Im
Hintergrund ist die Erkenntnis, dass Sprachprobleme (also z. B. eine "unsaubere" Verwendung von Sprache) zwangsläufig auch zu theoretischen Problemen führen. Wenn wir die in der Sprache
steckenden Fehlerquellen finden und die Sprache davon reinigen, hätten wir das Problem gelöst, ist der Kerngedanke in der Analytischen Philosophie, den die so genannten Neopositivisten des Wiener
Kreises ins Zentrum stellen.
Doch schon bald stellte sich heraus, dass das etwas kurz und naiv gedacht war.
Sprachphilosophie fragt – grob gesagt - „nach dem Wesen von Sprache“. Dazu gehören viele Unterfragen, z. B.
-
die Frage nach der Beziehung zwischen Sprache und Erkennen
-
die Frage nach den „Fallstricken“, die durch ungenaue / fehlerhafte Sprache entstehen
-
die Frage nach den Elementen, aus denen Sprache besteht
-
die Frage nach unterschiedlichen Funktionen, die Sprache hat
-
die Frage nach der Beziehung zwischen Sprache und Wirklichkeit (Ähnlichkeit versus Abbild versus Filter versus Konstrukteur)
Als grundlegende philosophische Disziplin und als Teilrichtung der Erkenntnistheorie beginnt die Sprachphilosophie um 1900: Der Neopositivismus des Wiener Kreises definiert die Aufgabe der
Philosophie als Sprachkritik mit dem Ziel, sinnvolle von sinnlosen Sätzen zu unterscheiden. Dafür soll Philosophie ein Kriterium entwickeln. Die Vertreter des Wiener Kreises schlagen das
Verifikationsprinzip als Sinnkriterium vor. Damit scheitern sie allerdings. Denn Karl Raimund Popper zeigt, dass gerade die allgemeinsten Sätze der Erfahrungswissenschaft („Alle Metalle dehnen
sich bei Erwärmung aus“) nicht verifizierbar sind.
Die Sprachphilosophie prägt viele philosophische Diskurse und Debatten im 20. Jahrhundert. Die Frage nach dem Wesen der Sprache, nach den Aufgaben und Funktionen von Sprache und nach der
Beziehung zwischen Sprache und unserem Bild von Wirklichkeit prägen das Denken von wichtigen DenkerInnen wie Ludwig Wittgenstein (Sprachspieltheorie), John Searle (Sprechakttheorie), den
Konstruktivismus, den Dekonstruktivismus (J. Derrida, M. Foucault), die Queertheorie (Judith Butler) …
Wenn wir uns etwas systematischer mit Sprache beschäftigen, erkennen wir schnell, dass Sprache ganz unterschiedliche Funktionen hat. Manchmal entstehen Probleme auch dadurch, dass zwei
Gesprächspartner ein-und-denselben Satz im Hinblick auf seine Funktion unterschiedlich verstehen.
Überblick über einige Funktionen, die Sprache haben kann:
-
Mittel, zwischen zwei oder mehreren Lebewesen Informationen auszutauschen; Mittel zur Kommunikation
-
Mittel, um Gedanken zu strukturieren (alte philosophische Streitfrage, ob Denken ohne Sprache möglich ist / wäre)
-
Mittel, um Gedanken in Raum und Zeit zu verbreiten oder zu konservieren (Tradierung von Wissen; Verbreitung von
Wissen)
-
Mittel, um Wirklichkeit abzubilden (Abbildtheorie; „Das BRG Dornbirn-Schoren ist eine AHS“; alte philosophische Streitfrage, ob Erkenntnis
ohne Sprache möglich ist / wäre)
-
Mittel, um zu fiktionalisieren / Wirklichkeitsgrenzen zu überschreiten („Im Jahr 2050 gründeten die ersten Menschen auf dem Mond eine
Stadt.“)
-
Mittel, um Wirklichkeit zu erzeugen (performative Funktion von Sprache; z. B. Spruch eines Richters: „Ich spreche Sie frei.“)
-
Mittel, um Empfindungen auszudrücken („Mir ist schlecht.“ „Ich habe Angst.“ "Mir gefällt dieses Bild."
-
Mittel, um ästhetische Urteile zu fällen. ("Dieses Kleid ist hässlich.")
-
Mittel, um ethische Urteile zu fällen. ("Umweltverschmutzung ist schlecht.")
-
Mittel, um Aufmerksamkeit zu lenken / zu steuern (z. B. Fragen zu stellen, Provokation durch Sprache)
-
Mittel, um Befehle und Aufforderungen und Bitten zu äußern ("Schließ bitte die Tür.")
-
Mittel, Wirklichkeit zu erzeugen und zu beeinflussen: konnotativer Gehalt von Begriffen, z. B. „Mauer“ <-->„antifaschistischer
Schutzwall“ // „Terrororganisation“ <-> „Befreiungsorganisation“ //„Nigger“ <->“Schwarzer“ <-> „Farbiger“ <-> „Afroamerikaner“: G. Orwell: „1984“:
Wahrheitsministerium
-
Machtinstrument oder Herrschaftsinstrument (über Sprache kann man Herrschaftsansprüche und ein bestimmtes Bild von Wirklichkeit
durchsetzen; Definitionsmacht über Phänomene)
-
Instrument gegen die Macht // Aufklärungsinstrument // Widerstandsinstrument (Ideologie-Kritik; Dekonstruktivismus)
- Mittel zur Provokation
Problem 1: Mehrdeutigkeit von Sprache: Was der Sender sagt, ist oft nicht ident mit dem, was beim Empfänger ankommt. Es entstehen Missverständnisse. Im Extremfall redet man
aneinander vorbei.
Problem 2: Ungenauigkeit und Fehlerhaftigkeit von Sprache: Es entstehen manchmal unsinnige Sätze oder inhaltsleere Sätze, ohne dass wir es erkennen. Wir produzieren dann
sozusagen "Sprachmüll". Oder wir durchschauen nicht, dass andere Sprachmüll produzieren, und denken, wir seien zu dumm, um die klugen Gedanken einer anderen Person zu verstehen. Oder wir können
kluge Gedanken nicht von Sprachmüll unterscheiden.