Ethik lässt sich am besten mit der Kantschen Frage:
"Was sollen wir tun?"
umschreiben. Das heißt, es geht dabei nicht nur um Fragen des Erkennens oder des Definierens, also um rein theoretische Fragen. Es geht - zumindest im Wesentlichen - um praktisches Handeln, um Tun. Deshalb bezeichnet man die Ethik manchmal auch als "praktische Philosophie".
Damit fragen wir ...
Wenn Edward Snowden als Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA Kenntnis hat von nach seiner Meinung problematischen und rechtlich nicht gedeckter Daten-Schnüffelei, steht er vor einem Handlungs-Dilemma mit zwei Handlungsalternativen: Er kann sein Wissen für sich behalten und schweigen (A1). Oder er kann mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit gehen (A2). Wahrscheinlich hat Edward Snowden sich mit der Kantschen Frage: "Was soll ich tun?" konfrontiert gesehen. Vielleicht wäre seine Neigung gewesen, zu schweigen. Denn das wäre vermutlich bequemer gewesen. Er hätte seinen vermutlich gut bezahlten Job behalten. Er hätte viele Menschen, die ihm vertraut haben, nicht enttäuscht. Er hätte sich nicht in Konflikt mit dem Strafrecht gebracht und sich nicht dem Risiko ausgesetzt, in den USA vor Gericht gestellt und zu vielen Jahren Gefängnis verurteilt zu werden. Und vielleicht hat er entgegen seiner Neigung die Pflicht verspürt, sein Wissen zu veröffentlichen; in der Erwartung, dass durch den Druck der Öffentlichkeit der NSA seine Spionage-Praxis ändern muss oder in der Hoffnung dass die Geheimdienst-Tätigkeiten in Zukunft rechtlich klarer geregelt werden oder in der Befürchtung, dass durch die Tätigkeit der NSA Menschen zu Schaden kommen.
Möglicherweise hat Snowden sich in seiner Entscheidung, das Berufsgeheimnis zu verletzen und zum Whistleblower zu werden, von grundlegenden Werten leiten lassen. Das könnten Werte wie Freiheit, Privatsphäre, Primat des Rechts uam. sein.
Vielleicht hat Snwoden im Vorfeld sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich sein Schritt, die Dokumente zu veröffentlichen, rational begründen und rechtfertigen lasst. Vielleicht hat er sich mögliche positive und negative Folgen überlegt und Risiken abgewogen. Vielleicht hat er sich an grundlegenden Prinzipien wie dem Prinzip, immer die Wahrheit zu sagen oder dem Prinzip, keine Rechtsbrüche zu dulden, orientiert.
Dann hätte er das gemacht, was Ziel und Anspruch der philosophischen Ethik ist. Er hätte auf der Grundlage philosophischer Reflexion (also Auseinandersetzung mit Werten, Normen, Handlungsprinzipien) in einer ethischen Dilemma-Situation eine Entscheidung getroffen, die er (im ethischen Sinn) für die bessere hält.
Und wir und andere können philosophisch mithilfe von Wert- und Handlungstheorien über die Frage reflektieren und diskutieren, ob und gegebenenfalls warum diese Entscheidung tatsächlich eine
ethisch gute Entscheidung gewesen ist.
So weit, so einfach. Doch es braucht noch ein paar zusätzliche Klarstellungen.
Mit Hilfe der Sprache treten wir der Wirklichkeit gegenüber. Die logische Struktur, in der wir das tun, spiegelt sich in der Satzform. Dabei können wir - etwas grob gesagt - zwischen Aussagen (= Urteilen) und anderen Sätzen (z. B. Fragen, Aufforderungen, ...) unterscheiden. Aussagen können wir wiederum in zwei Gruppen unterteilen:
zum Vergleich:
Sätze, die keine Aussagen / Urteile sind. Vor allem Fragen ...
(Entscheidungsfrage: JA / NEIN)
(Ergänzungsfragen)
Fragen lenken die Aufmerksamkeit auf bestimmte thematische Aspekte, sie öffnen Denk- und Diskussionsräume, sie verlangen nach ergänzenden Informationen, ... Aber sie sind keine
Aussagen.
EMPIRISCHE AUSSAGEN / URTEILE
empirische Aussagen beschreiben einen Sachverhalt, der sich auf der Ebene von "wahr" oder "falsch" bewegt. Wir können diesen Wahrheitsgehalt im Idealfall auch überprüfen, indem
wir Beobachtungen anstellen, Quellen recherchieren, ...
Die zentralen Aussagen der Erfahrungswissenschaften sind empirische Aussagen.
NORMATIVE AUSSAGEN / URTEILE
Wichtig für ethische Diskussionen ist auch , dass nur ein Teil der normativen Aussagen auch ethische Aussagen sind. Es gibt außerdem z. B. auch ästhetische normative Aussagen, ökonomische wertende Aussagen, ...
ethische normative Aussagen
Ethische normative Aussagen formulieren ein Werturteil in einem ethischen oder moralischen Sinn. Das heißt, sie behaupten, dass etwas "gut" oder "böse" bzw. "schlecht" in ethischer / moralischer Hinsicht sei. Zu Begründen, warum und inwiefern das der Fall ist, ist Aufgabe der philosophischen Werttheorie.
Diese Werturteil sind in der Handlungsethik auf das konkrete Verhalten von Menschen, also auf ihr Tun, bezogen. Signalwörter, die ethische Urteile oft erkennbar machen, sind die Modalwörter "müssen", "sollen" und "dürfen".
Selbstredend interessiert die philosophische Ethik sich nur für Werturteile und normative Aussagen in einem ethischen Kontext.
Die Grenzen zwischen ethischen Normen und z. B. ökonomischen Normen können aber fließend oder unscharf sein.
Im Zweifelsfall muss man zunächst einmal klären, ob es in einer Diskussion überhaupt um eine ethische Frage geht oder nicht.
nicht-ethische normative Aussagen
Zu den nicht-ethischen normativen Aussagen gehören zum Beispiel ...
....
Begriff | Bedeutung / Begriffsinhalt |
präskriptive Ethik |
dazu zählen:
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deskriptive Ethik |
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Metaethik |
dazu zählen z. B.:
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Moral, moralisch |
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Recht, rechtlich |
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A1: Die Bildcollage zeigt unterschiedliche Themenfelder, in denen Menschen mit ethischen Fragen konfrontiert werden. Welche ethischen Fragen stellen sich z.
B. * im Hinblick auf das eigene Konsumverhalten (Konsumgüter kaufen, bestimmte Produkte bevorzugen, bestimmte Produkte nicht kaufen; Wegwerf-Verhalten, ...) * im Hinblick auf Beruf, Arbeit, Arbeitsplatz, Wirtschaft (Gibt es Berufe oder Tätigkeiten, die ethisch problematisch sein könnten? Gibt es Verhaltensweisen am Arbeitsplatz, die ethisch problematisch sind? ...)
* im Hinblick auf das Verhalten, das Unternehmen und Konzerne an den Tag legen sollten (Unternehmensethik, Corporal Social Responsibility, ...) |
A2: Liste Normen und Regeln auf, die bei uns an der Schule für SchülerInnen und LehrerInnen gelten. Mache dabei zwei Spalten: ethisch relevante Normen in der einen
und ethisch nicht-relevante (z. B. ästhetische) Normen in der anderen Spalte. Begründe deine Zuordnungen. Erkläre, um welche ethischen Werte es bei den ethisch relevanten Normen
geht. |
A3: Menschen geraten immer wieder in ethische Handlungsdilemmata. Suche zwei oder drei konkrete Beispiele für Dilemma-Situationen, mit denen junge Menschen
manchmal konfrontiert werden. Erkläre, worin das Dilemma besteht und welches die zur Wahl stehenden Handlungsalternativen sind. Erkläre, wie und auf welchem Weg sich die
Dilemma-Situationen "handeln" lassen. |
A4: Gedankenexperiment. Nimm an, Menschen wären in ihrem Handeln grundsätzlich nicht frei, weil Handeln das direkte Resultat (man könnte auch sagen: das
"Abfallprodukt) bestimmter neurologischer Prozesse im Gehirn ist, die sie selber nicht steuern können. Was würde das für dein Leben und für die Entscheidungen, die du in deinem Leben
zu treffen glaubst, bedeuten. Schreibe dazu einen kurzen Text, in dem es um eine Dilemma-Situation geht. |
A5: Welche Fakten sprechen dafür, dass Menschen in ihren Entscheidungen und in ihrem Verhalten weniger frei sind, als man das auf den ersten Blick vielleicht denken
würde? Was spricht dafür, dass es die Freiheit, zwischen verschiedenen Wegen / Alternativen zu wählen, sehr wohl gibt? Schreibe zu beiden Seiten ein argumentatives
Statement. |
A6: Erkläre, ob und inwiefern es sich bei den Sätzen auf dem Arbeitsblatt um ethisch-normative Aussagen geht. Suche zwei ethisch-normative Aussagen. Erkläre, warum und inwiefern die Aussagen ethisch-normativ sind (oder zumindest je nach Kontext so verstanden werden können) |