Es klingt viel versprechend: Mithilfe eines Tests mehr oder weniger einfachen Tests können wir herausfinden, welche Persönlichkeit wir selbst oder eine andere Person (die sich z. B. an einer Schule als Lehrerin oder in einer Bank als Rechnungsprüfer bewirbt) haben. Persönlichkeitstests sind also sehr beliebt; ob in der Wochenendbeilage einer Tageszeitung ("Welcher Freizeittyp sind Sie?") oder als (selbstverständlich von Psychologen entwickelter) Persönlichkeitstest einer online-Partneragentur ("Wer passt zu Ihnen?") oder als Persönlichkeitstest beim Bundesheer, der darüber Auskunft geben soll, ob ein 19jähriger von der Persönlichkeit her geeignet ist, mit einer Waffe umzugehen, oder als Verkehrssicherheitstest, der die Frage beantworten soll, ob jemand, der als schwerer Verkehrssünder seinen Führerschein verloren hat, auch in Zukunft besser zu Fuß unterwegs sein sollte, weil er aufgrund seiner Persönlichkeit eine Gefahr für das Leben anderer Verkehrsteilnehmer ist.
Doch im Hinblick auf ihre Qualität sind solche Tests sehr unterschiedlich. Oft halten sie nicht, was sie versprechen. Und vor allem müssen wir gelernt haben, wie sie auszuwerten und zu interpretieren sind, damit sie überhaupt einen Aussagewert haben.
Grundlegend können wir zwischen mündlichen Befragungen zur Persönlichkeit (Persönlichkeits-Interview, Befragung) und schriftlichen Persönlichkeitstests unterscheiden. Schriftliche Persönlichkeitstests lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen: standardisierte Tests (faktorenanalytische Tests) und projektive (offene) Tests.
Der im deutschsprachigen Raum bekannteste wissenschaftliche Persönlichkeitstest ist das Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI). Er ist ein Beispiel für einen standardisierten Test.
Die Konstruktion eines solchen Tests ist sehr aufwendig. Denn er muss geeicht werden. Dabei geht man von der Annahme aus, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale in der Bevölkerung normal verteilt sind; also so wie bei einer Gaußschen Glockenkurve. Eichung bedeutet, dass man zuerst definieren muss, für welche Bevölkerungsgruppe ein Test aussagekräftig sein soll. Dann werden mithilfe einer repräsentativen Stichprobe solange Fragen (Items) ausgewählt, bis die Antworten auf die Fragen einer Normalverteilung entsprechen. Die Fragen selbst werden - je nach Test unterschiedlichen - Dimensionen oder Kategorien zugeordnet. Und sie müssen quantifiezierbar (also in Form einer Zahl darstellbar sein).
Der FPI besteht aus über 200 Fragen, die jeweils mit "Ja" oder "Nein" zu beantworten sind. Diese Fragen sind unterschiedlichen polaren Persönlichkeitsdimensionen (z. B. Extraversion - Introversion, soziale Orientierung - Selbstorientierung, Offenheit - Verschlossenheit, ...) zugeordnet. Die Durchführung und die Auswertung ist streng normiert. Wer den FPI ausfüllt, kann dann einschätzen, wo die eigenen Antworten sich im Vergleich zur repräsentativen Stichprobe (und damit zur "Norm") liegen. Interessant sind dabei vor allem "Extremwerte", also Ergebnisse, die auf beiden Seiten an den Rändern liegen.
Ähnlich wie diese Persönlichkeitstests sind auch Intelligenztests konstruiert.
Persönlichkeit ist, wie wir bereits gesehen haben, direkt nicht beobachtbar. Vielmehr schließen wir von bestimmten Verhaltens- und Erlebensmustern, die ein Mensch zeigt, auf eine bestimmte Persönlichkeitsstrultur. Projektiven Tests (Projektion = Übertragung) liegt so die Annahme zugrunde, dass die Art und Weise, WIE wir auf bestimmte Impulse (z. B. ein Bild) reagieren, etwas mit unserer Persönlichkeit zu tun hat und indirekt Rückschlüsse auf unsere Persönlichkeit zulässt. Ein introvertierter Mensch deutet ein-und-dasselbe Bild anders als ein extravertierter. Ein trauriger oder gar depressiver Mensch reagiert auf ein Bild anders als ein euphorischer oder gar manischer. Alle projektiven Tests funktionieren also so, dass die Testpersonen aufgefordert werden, ihre Gedanken und Assoziationen zu einem Impuls zu formulieren oder ein Bild zu interpretieren oder Figuren anzuordnen oder - ein beliebter Test in der Kinderdiagnostik - die eigene Familie als Tiere zu malen.
Im Unterschied zu standardisierten Tests ist das Ergebnis bei projektiven Test nicht quantifizierbar (also als Zahl darstellbar). Das lässt auf der einen Seite differenziertere Aussagen zu. Auf der anderen Seite macht das die Tests aber auch fehleranfälliger. Beispielsweise können die TesterInnen durch die Art und Weise, wie sie zum Interpretieren auffordern, Aussagen (unbewusst / ungewollt / unreflektiert) in eine bestimmte Richtung lenken. Man spricht bei diesem Phänomen von der Tendenz zu erwünschten Antworten, an der sich sehr viele Personen ausrichten. Oder die Aussagen der Testpersonen, die ja erst interpretiert werden müssen, werden einseitig oder in Richtung der erwarteten Antwort oder in Richtung der Ausgangshypothese gedeutet.
Der Rorschach-Test wurde anfang des 20 Jahrhunderts von einem Schweizer Psychiater namens Hermann Rorschach entwickelt. Er besteht aus 10 Testtafeln, die aus ganz vielen Tintenkleks-Bildern als diejenigen ausgewählt worden sind, bei denen die Assziationen möglichst unterschiedlich und widersprüchlich sind und stark emotionale Antworten provozieren. Für die Deutung der Testtafeln gibt es relativ genau Muster im Hinblick auf Form (z. B. abstrakt - konkret) oder Inhalt (z. B. belebt - unbelebt; statisch - bewegt) und emotionalen Gehalt. Das soll die Objektivität erhöhen.
Auf Wikipedia sind seit einiger Zeit die Original-Testtafeln (samt Beispiel-Interpretationen) veröffentlicht; was anfangs für einigen Wirbel sorgte.
Ein zweites Testverfahren, das vom Grundprinzip her große Ähnlichkeit mit dem Rorschach-Test hat, ist der TAT,der in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts vom us-amerikanischen Psychologen Henry Murray entwickelt worden ist. Allerdings wird hier mit Bild-Tafeln gearbeitet.
Ein projektiver Test, der bei Kindern oft eingesetzt wird, ist der Familien-Tier-Test, bei dem Kinder aufgefordert werden, ihre Familie als Tiere zu zeichnen. Dieser Test wurde von einer klinischen Psychologin (Brem-Gräser) 1995 entwickelt. Er soll vor allem dazu dienen, die familiäre Struktur in der Wahrnehmung des Kindes und Konflikte im familiären System sichtbar zu machen.
Zur Auswertung gibt es einen Katalog der Tiereigenschaften. Außerdem berücksichtigt man die Anordnung der Familie auf dem Zeichenblatt (Welche Familienmitglieder werden in der gleichen Ebene gezeichnet? Wer wendet sich wem zu? Wer von wem ab? Welche räumlichen Distanzen bestehen zuwischen den Familienmitgliedern?) Auch die Größenverhältnisse und die Art der Tiere (Wildtiere, Vögel, Insekten, ...) werden in die Interpretation miteinbezogen. Die Deutung erfolgt im Gespräch mit dem Kind.
Das Bild stammt von der 12jährigen Anjuli. Sie ist die Gans, die zwischen dem Elefanten (repräsentiert den Vater) und der Giraffe (repräsentiert die Mutter) steht. Die kleine Schwester ist der Igel unter dem Elefanten. Die zwei Brüder sitzen als Affe und als Papagei auf dem Baum.
Du kannst selbst versuchen, dir ein paar Gedanken über die Persönlichkeit der 12jährigen Zeichnerin zu machen.
Im Folgenden findest du zwei Antworten, die Frauen auf die Aufforderungen, ihre Gedanken zur Bildtafel zu formuliern, gegeben haben. Du kannst selbst überlegen, ob und inwiefern sich aus den Antworten Rückschlüsse auf die psychische Befindlichkeit oder auf die Persönlichkeitsstruktur der antwortenden Personen ziehen lassen. Vielleicht findest du auch einzelne Aussagen, die du besonders überraschend, auffällig oder wichtig findest.
Bsp. 1: Dies ist das Bildnis einer Frau, die ihr ganzes Leben lang eine misstrauische und still duldene Person gewesen ist. Sie schaut in den Spiegel und sie sieht hier sich ihr Abbild, das sie als alte Frau darstellt – immer noch eine misstrauische, still duldende Person. Sie kann den Gedanken nicht ertragen, dass ihr Leben dahingeht, sie zerbricht den Spiegel, rennt schreiend aus dem Haus, wird verrückt und lebt für den Rest ihres Lebens in einer Nervenklinik.
Bsp. 2: Diese Frau hat immer die Schönheit in ihrem Leben geschätzt. Als kleines Mädchen wurde sie für hübsch gehalten und als junge Frau zog sie die Männer durch ihre Schönheit an. Obwohl sie sich innerlich oft ängstlich und minderwertig fühlte, verhalf ihr ihre äußere Schönheit, diese Gefühle vor den anderen zu verbergen und manchmal auch vor sich selbst. Jetzt, während sie langsam älter wird und ihre Kinder aus dem Haus gehen, hat sie Angst vor der Zukunft. Sie schaut in den Spiegel und sieht sich als alte Hexe – die schrecklichste Person, zu der sie werden könnte, hässlich, böse – und sie fragt sich, was ihr die Zukunft bringen wird. Es ist eine schwierige, deprimierende Zeit.
Wenn sie verantwortungsvoll und unter Berücksichtigung der Grenzen ihrer Aussagefähigkeit eingesetzt werden, können Persönlichkeits-Tests wichtige Hinweise auf Persönlichkeitsmerkmale, Konflikte, emotionale Befindlichkeiten u.a.m. liefern.
Wie "seriös" ein Test ist, hängt v.a. davon ab, inwiefern er zentrale "Gütekriterien" erfüllt. Diese sind vor allem:
Gerade projektive Testverfahren können diese Kriterien nur in eingeschränkter Form erfüllen. In der Hand von schlecht ausgebildeten TesterInnen oder gar von Laien sind sie daher als Instrument der Persönlichkeitsdiagnostik definitiv nicht geeignet (Was nicht heißt, dass es nicht spannend, nett, erhellend, ... sein kann, einen solchen Test aus Interesse durchzuführen und auszuwerten).
Ein projektiver Test ist z. B. dazu entwickelt worden, mittels spezieller Puppen und speziellen Spielszeugs zu untersuchen, ob ein Kind sexuelle Gewalt erfahren hat oder sexuell missbraucht worden ist. So wichtig es ist, Kinder vor sexueller Gewalt zu schützen: Die Fehldeutung von Testdaten kann für betroffene Kinder und Erwachsene katastrophale Konsequenzen haben. Und zumindest in Einzelfällen ist das Spielverhalten der Kinder von den TestleiterInnen fälschlicherweise so gedeutet worden, dass Kindern sexuelle Gewalt angetan worden ist. Wir können uns sicher vorstellen, welche Konsequenzen eine solche falsche Interpretation für das betroffene Kind, aber auch für den beschuldigten Erwachsenen (meistens ja eine enge Bezugsperson des Kindes) haben kann.
TestexpertInnen werden den projektiven Tests überhaupt gerne vor, dass TesterInnen dazu tendieren, eigene Erwartungshaltungen oder eigene Vorurteile oder eigene Blinde Flecken in die Durchführung oder die Auswertung einfließen zu lassen. (Der Vorwurf ist berechtigt. Er lässt sich aber bis zu einem gewissen Punkt entschärfen, wenn / indem die Person, die einen Test durchführt, ansonsten keine Beziehung zur getesteten Person hat und nicht genau weiß, welche Fragestellung im Hintergrund ist.)
Auf dem "Psychomarkt" gibt es außerdem eine ganze Reihe von mehr oder weniger seriösen Testverfahren, mit denen mehr oder weniger seriöse "PsychologInnen" auf Klientensuche gehen. Unter anderem verwendet Scientology, das selbst eine Religion sein will, vom deutschen Verfassungsschutz aber eher als Psychosekte eingestuft wird, einen so genannten Persönlichkeitstest, der vor allem dazu dient, gut zahlende Kunden für die eigenen Auditing und Clearing-Kurse zu gewinnen. Ein gesundes Maß an Skepsis Tests gegenüber ist also auf jeden Fall angebracht, wenn diese nicht im Rahmen von Kliniken und offiziellen Institutionen wie dem IfS oder der Schulpsychologie durchgeführt werden. Seriöse PsychologInnen werben jedenfalls nicht offensiv mit Persönlichkeittests, führen solche Tests nicht durch, weil/wenn sie selbst davon unmittelbar profitieren und lassen vor allem die Untersuchungspersonen mit den Testergebnissen nicht allein, sondern gehen diese mit ihnen detailliert und sorgfältig im Dialog durch.